Der Axa-Abschied von der Vollversicherung

Der Axa-Konzern offeriert ab 2019 die BVG-Vollversicherung nicht mehr. Offen ist, wie viele der 40 000 KMU sich für die teilautonomen Lösungen entscheiden werden.

Werner Enz
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Die Axa Winterthur wird die BVG-Vollversicherung nicht mehr anbieten. (Bild: Imago)

Die Axa Winterthur wird die BVG-Vollversicherung nicht mehr anbieten. (Bild: Imago)

Der auch sozialpolitisch eine grosse Tragweite aufweisende Beschluss, als zweitgrösster Anbieter im Land keine BVG-Vollversicherung mehr zu placieren, ist offenbar hinter den Kulissen von langer Hand vorbereitet worden. Fabrizio Petrillo, der Konzernchef der Schweizer Tochtergesellschaft der Axa-Gruppe, sagte an einer Pressekonferenz in Zürich, der Entscheid sei einstimmig getroffen worden. Zustimmen mussten nicht nur der Axa-Verwaltungsrat in der Schweiz und die Zentrale in Paris, sondern auch die im neuen Modell stark an Gewicht gewinnenden Stiftungsräte von Axa-Sammelstiftungen.

Die BVG-Vollversicherung verliert an Attraktivität

In Prozent
Anleihen
Aktien
Alternative Anlagen
Hypotheken
Immoblien
Liquidität

Kunden tragen das Anlagerisiko

In der Substanz geht es darum, bestehende Vollversicherungen auf Anfang 2019 in drei teilautonome Sammelstiftungen zu transferieren. Das geht ins Geld: Den Stiftungen sollen Anlagen im Wert von 31 Mrd. Fr. übergeben werden, wobei sie dank Bewertungsreserven von 3,5 Mrd. Fr. mit einem Deckungsgrad von 111% an den Start gehen. Petrillo erklärte dazu, jeder Kunde erhalte innerhalb der gesetzten Kündigungsfrist ein neues Angebot. Er sei zuversichtlich, dass viele der bis anhin noch auf die BVG-Vollversicherung setzenden Kunden wechseln würden. Die Axa hat zurzeit 40 000 KMU-Kunden mit 400 000 Angeschlossenen. Vor allem kleine Kunden sind jetzt auf eine professionelle Beratung angewiesen.

Wer von der Axa wegzieht, nimmt das Freizügigkeitskapital mit, jedoch ohne Reserven. Das wirkt wie eine goldene Fessel, ist aber geltendes Gesetz. Das neue Modell der Axa erinnert stark an die Vita-Sammelstiftung, die der damalige Zurich-Konzernchef James Schiro vor mehr als zehn Jahren in weiser Voraussicht auf die Verpolitisierung des BVG-Geschäfts gefördert hatte. Die Axa hält sodann fest, bestehende Altersrentner und ihnen zugeordnete Reserven von 18 Mrd. Fr. würden zu unveränderten Konditionen bei ihr verbleiben. Das verbessert natürlich die Altersstruktur der Sammelstiftungen.

Die Logik des Axa-Entscheids geht dahin, dass eine teilautonome Stiftung auch dank dem Deckungsgrad von 111% höhere Anlagerisiken eingehen kann, was sich langfristig auszahlen sollte. Zudem zahlen die Kunden der neuen Axa-Stiftungen im Vergleich mit der heutigen Vollversicherung durchschnittlich um 30% tiefere Risikoprämien für das Todesfall- und Invaliditätsrisiko. Das ist so, weil im alten Regime erhöhte Risikoprämien für die Quersubventionierung (vgl. Grafik) eingesetzt wurden.

Die Axa zeigt auf, dass in einer teilautonomen Lösung mit einer Aktienquote von rund 23% gewirtschaftet werden kann, gegenüber einer mickrigen Quote von 4% in der Vollversicherung. Die Garantie des Kapitalerhalts ist im durch hartnäckige Tiefstzinsen gekennzeichneten Umfeld aus Kundensicht wertvoller, aber aus Sicht des Axa-Aktionärs immer teurer geworden. Die erwartete Anlagerendite würde von bis anhin 1,5 bis 2% auf 2,5 bis 3% per annum steigen. Zwangsläufig müssten grössere Wertschwankungen in Kauf genommen werden; eine temporäre Unterdeckung ist nie ganz auszuschliessen.

In der teilautonomen Lösung würde die Quersubventionierung aus dem Risikoprozess somit ausgemerzt, und weiter dürften Umverteilungen bei der Verrentung (wegen des viel zu hohen BVG-Umwandlungssatzes von 6,8%) von zurzeit rund 1,2 Prozentpunkten der Anlagerendite auf 0,5% reduziert werden. Dabei wird aber davon ausgegangen, dass man über die Jahre gewichtet eine höhere Anlagerendite erwirtschaftet.

Last, but not least sind die Sammelstiftungen vom BVG-Gewinnverteilschlüssel (Legal Quote) ausgenommen, der festschreibt, dass ein Lebensversicherer im Maximum nur 10% der Bruttoerträge behalten darf. Das ist einschneidend, weil gleichzeitig auch noch Mindestzins und harte Auflagen des Swiss Solvency Test (SST) einschränken. Während die BVG-Vollversicherung durch die Finma reguliert ist, sind bei teilautonomen Stiftungen die kantonalen Aufsichtsbehörden – im Fall der Axa der Kanton Zürich – zuständig.

Freisetzung von Risikokapital

Für die Axa wird die Umgestaltung des BVG-Geschäfts – wie seinerzeit bei der Zurich – zu einem Einbruch der vereinnahmten Prämien führen, da die Sparbeiträge von bis zu 260 000 Versicherten in der Vollversicherung neu den Sammelstiftungen zufliessen oder abwandern. Das Prämienvolumen wird sich auf einen Schlag von etwa 8 Mrd. Fr. um rund 5,5 Mrd. Fr. reduzieren. Weiter wird eine Wertberichtigung von 400 Mio. Fr. fällig, weil die mit BVG-Vollversicherungen zu erwartenden Gewinne früher aktiviert worden sind. Wenn die Axa das Geschäft nicht mehr auf ihre Bilanz nimmt, wie jetzt entschieden ist, führt das zu einer Freisetzung von Risikokapital im Umfang von rund 2,5 Mrd. Fr.

Petrillo bekräftigt, es gehe nicht um einen Teilrückzug aus dem BVG-Geschäft, sondern darum, den Schweizer KMU-Kunden attraktivere Vorsorgelösungen anzubieten. An der Pressekonferenz war viel die Rede von einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis. Man werde auch so ein führender Anbieter in der zweiten Säule bleiben und ab Anfang 2019 klar die Nummer eins im teilautonomen Markt sein.

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